Bernhard Heisig

Auf ein Wort

Christian Beuchel, Vorsitzender des Freundeskreises

Die Lithographie entstand im Jahr der großen Feierlichkeiten in der DDR zum 450jährigen Jubiläum des Bauernkrieges. Im Jubiläum sollte gezeigt werden, dass der Kampf Müntzers und seiner Mitstreiter „in der sozialistischen DDR seine Erfüllung findet“.

Ein Mensch – ans Kreuz gebunden, nach vorn gebeugt. Sein Gesicht ist nicht zu sehen. Daneben steht eine Frau, die mit der Hand auf Helm und Schild am Kopf des Kreuzes zeigt und einen Teil des Balkens trägt. Die aufgerissenen Augen, der halbgeöffnete Mund deuten das Schrecken über die Gewalt an. Thomas Müntzer und Ottilie, seine Frau? Ein Bauer und eine Bäuerin als Opfer der Gewalt nach der blutigen Schlacht bei Frankenhausen mit über 5000 Toten? Oder ein Adliger, ein Ritter, der von den Bauern hingerichtet wurde?

Die Lithographie wirkt auf den Betrachter kräftig, verwirrend, erdrückend. „Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Mann.“ Auch mit diesem Satz Müntzers rechtfertigte die DDR ihre Existenz und stellte die Aussage „Die Enkel fechten es besser aus“ daneben. Die Ereignisse des Bauernkrieges, vor allem in Thüringen 1525, wurden in der DDR als frühbürgerliche Revolution bezeichnet und Thomas Müntzer wurde als Bauernführer historisch überhöht, seine Schriften ideologisch „passend gebogen“. Im DDR-Staat hat sich das Wirken Müntzers erfüllt, so die These der SED zum Jubiläum. Müntzer gehörte zu den Identifikationspersönlichkeiten der DDR und wurde bewusst gegen Martin Luther, den „Fürstenknecht“, aufgebaut. In den Hintergrund trat und fast aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt wurde, dass Müntzer Theologe und Pfarrer war und sein Einsatz für die Bauern aus seiner Gottesbeziehung entsprang. Er sah sich von Gott beauftragt, dem Reich Gottes und Gottes Ordnung zum Sieg zu verhelfen. Über die Jubiläumsrede Kurt Hagers, Mitglied im Zentralkomitee der SED, in Mühlhausen 1975 wird berichtet: „Der Sachverhalt, dass es sich bei der historischen Person Thomas Müntzer um einen Pfarrer, Prediger, Theologen gehandelt hatte, kommt in Kurt Hagers Rede überhaupt nicht zur Sprache. Der religiöse Rahmen von Müntzers Lehre wird von den Parteistrategen völlig ignoriert“. Müntzers Aussage in der Fürstenpredigt, dass der Ungläubige kein Recht zum Leben hat, wurde von den bekennenden Atheisten im Zentralkomitee der SED überlesen. „Müntzer erscheint (für die DDR-Propaganda, Anm. Autor) als fehlerfreier revolutionärer Übermensch und sozialistischer Märtyrer.“

Man staunt, dass das SED-Mitglied Bernhard Heisig im Widerspruch zur offiziellen DDR-Darstellung das christliche Motiv des Todes Christi am Kreuz in dieser Lithographie aufnimmt, um seine Sicht auf den Bauernkrieg zu zeigen. Das Leiden und die Gewalt dieser Zeit stellt er mit dem Symbol des Leidens Christi in Beziehung. Das Leid – nicht den Sieg – rückt Heisig in den Mittelpunkt.

Damit kommt er erstaunlich nahe an Müntzer, der forderte, Leiden und Tod als Zeichen des Christseins, gar als Vorrausetzung des Glaubens und der Annahme durch Gott zu sehen. Sein Leben endete im Mai 1525 unter dem Richtschwert. Er war nicht der Held der Frühbürgerlichen Revolution wie ihn die der DDR beschrieb.

Bernhard Heisigs Schaffen wurde geprägt von den Erfahrungen des Krieges als Soldat in einer SS-Panzerdivision und mehrfach schwer Verwundeter. Die Schwere dieser Traumata wird auch in diesem Werk sichtbar und steht damit in einer langen Reihe von Darstellungen des Leidens von Menschen. Das Blatt erinnert an den Schrecken, den Gewalt und Tod bis heute auslösen.

(Zitate aus: Alexander Fleischhauer: Die Enkel fechten´s besser aus, Münster 2010, S. 18, 184.)

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