Max Pechstein

Auf ein Wort

Von Julia Pechstein

Anfang März 1921 besuchte Alexander Gerbig, der langjährige Freund und Wegbegleiter, Max Pechstein und seine Frau Lotte in Berlin. Am 20. März bedankte Lotte sich bei Gerbig für ein Wurstpaket und schrieb: „Max sitzt da und schneidet Holz wie ein Schwerarbeiter. Die Serie ist bald fertig.“ Drei Tage später schrieb Max Pechstein an Alexander Gerbig: „Mein lieber Alex, gleich am Montag nach Deiner Abreise habe [ich] begonnen das Vater unser’ zu schneiden, und bin nun glücklich damit zu Ende gekommen.“ Aufgrund dieser Hinweise lässt sich die Erschaffung der Holzschnittserie „Das Vater Unser“ präzise festlegen. Erstaunlich ist, in welcher Zeit von nur drei Wochen Max Pechstein die 12 Holzschnitte fertig gestellt hat. Max Pechstein war als Künstler ein „workaholic“. 1906 trat er der Künstlergruppe „Brücke“ bei. Dort fand er mit Fritz Bleyl, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff Gleichgesinnte. Die alten Konventionen wurden verworfen, es ging nun um kontrastreiche, intensive Verwendung der Farbe und die Veränderung der Form durch einen Verzicht auf Details. Daher war eine bevorzugte Technik der Künstler der Holzschnitt. Bei Max Pechstein konnten bisher über 300 Holzschnitte dokumentiert werden.

In welchem Zusammenhang kann nun dieser Holzschnitt „Unser täglich Brot gieb uns heute“ betrachtet werden? 1909 fuhr Max Pechstein das erste Mal ans Meer, nach Nidden auf der kurischen Nehrung. Er konnte sich diese Reise leisten, weil er auf der Ausstellung der Berliner Secession sein Bild „Märzenschnee“ für 300 Mark verkauft hat. Es war sein erster lukrativer Verkauf eines Gemäldes. Der Käufer war Walter Rathenau, der spätere Außenminister. Dieser Aufenthalt hat ihn nachhaltig geprägt. Der ewige Rhythmus des Meeres, die ursprüngliche Natur und das einfache Leben der Fischer gaben ihm das, wonach er suchte. Bei dem Fischer Martin Sakruth kam er in einer einfachen Fischerhütte direkt am Haff unter. So fand er schnell Kontakt. Max Pechstein scheute sich nicht, auch mal Hand anzulegen und mit auf Fischfang zu gehen. Bei seinen weiteren Reisen nach Nidden vertieften sich seine Kontakte. Max Pechstein hielt die Eindrücke der Natur, sowie das harte Leben und das Arbeiten der Fischer immer wieder begeistert fest. Nach seinem Aufenthalt im Sommer 1920 wandte er sich im Frühjahr 1921 dem Thema „Das Vater Unser“ zu. Für die einzelnen Darstellungen dienten ihm Szenen aus dem Leben der Fischer.

So auch bei diesem Holzschnitt. Doch was ist nun das Besondere und Auffällige hier? Haben Sie es erkannt? Schauen Sie auf den Teller im Zentrum des Holzschnittes. Dort liegt kein Brot, sondern ein Fisch! Nun werden Sie sich fragen: Wieso? Die Erklärung ist ganz einfach. Das Brot der Fischer war der Fisch, da auf der kurischen Nehrung kein Getreide angebaut werden konnte. August 2022

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