Katerina Belkina

Auf ein Wort

Astrid Hötte, Kunstlehrerin am Luther-Melanchthon-Gymnasium Wittenberg, Mitglied im Vorstand der Stiftung Christliche Kunst

Ein Werk aus der Sammlung, das viele meine Schüler begeistert, ist Katerina Belkinas „Die Sünderin“ von 2014. Die Mischtechnik setzt eine Frau ins Bild, die liebevoll und gedankenversunken ihren hochschwangeren Bauch hält. Das Bild ist, im Schülerjargon, ein sogenannter „eyecatcher“. Aber warum? Ist es die kräftig rote Strumpfhose, die in Kombination mit dem Porzellanteint der Dargestellten und dem dunklen Hintergrund naturgemäß ins Auge sticht? Oder ist es dieser seltsame Ausdruck des Innehaltens, der wie aus einer anderen Welt wirkt im tosenden Hier und Jetzt? Obwohl der Titel auf etwas anderes verweist, erinnert das Bild auch an eine Mariendarstellung. Die christliche Ikonografie spricht auf zwei Ebenen zu uns: erstens, der titelgebenden Sündhaftigkeit, die an den Sündenfall im Paradies erinnert. Die Weiblichkeit erscheint dabei durch Eva als verführbare Person, anfällig für das Böse. Andererseits wird ihr im Neuen Testament die tugendhafte, junge Maria von Nazareth entgegengesetzt, die sich in das ihr von Gott zugedachte Schicksal fügt und das Unglaubliche wahr werden lässt: Gott wird Mensch. Durch eine Jungfrau geboren. Damit wird Maria zum positiven Gegenstück der sündigen alttestamentarischen Eva. Diese beiden Seiten werden hier auf kongeniale Weise in uns angesprochen und zum Klingen gebracht. 2015 holt die talentierte Belkina mit ihrem Selbstporträt den internationalen Cranachpreis, der anlässlich des 500. Geburtstages von Lucas Cranach dem Jüngeren in seiner Heimatstadt Wittenberg ausgelobt wurde. Die in Samara geborene Russin wurde durch ihre Mutter – selbst bildende Künstlerin – inspiriert und gefördert. Die inszenierten Selbstporträts sind fortan ihr Markenzeichen geworden. Ausstellungen in Moskau und Paris bezeugen ihren Erfolg. Auch Cranach der Jüngere erarbeitet sich im Porträt einen außergewöhnlichen Ruf. Und doch sind es auch christliche Themen, die sein Schaffen bestimmen. Darunter fällt auch das für „Die Sünderin“ verwendete „Christus und die Ehebrecherin“ aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Belkina verfremdet das Werk, indem sie die Angeklagte aus der Männergruppe herauslöst und in den Mittelpunkt rückt, das Format beschneidet sie, aus einem Querformat wird ein Hochformat. Erkennbar bleibt das Vorbild dennoch, da sie sich ähnlich der Abgebildeten inszeniert: der helle Teint, der gesenkte Blick, das weiße, tief ausgeschnittene Oberteil, in Cranachs Zeit auch „Brüstla“ genannt, der gewölbte Bauch unter karminrotem Stoff. Selbst Cranach nimmt durch den abgebildeten Jesus, der auf die Bibelstelle aus dem Johannesevangelium 8,7 verweist, für die Frau Partei. Was bleibt uns dann anderes übrig? Keiner von uns würde auf die Schwangere je einen Stein werfen. Hoffen wir, dass Jesu Nächstenliebe ansteckt. Nicht nur Christen, die versuchen, nach seinem Vorbild zu leben, sondern alle Menschen in der Welt. Dann steht einer Freiheit in Frieden nichts im Wege.


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