Auf ein Wort

Im Südquerhaus des Stendaler Domes befindet sich ein Adventsfenster, auch „Marien-Verkündigungsfenster“ genannt. Während die adventlichen Szenen im Marienfenster des Hohen Chores noch weitgehend original erhalten sind, haben wir hier erneut ein Beispiel der Restaurierung durch das Königliche Institut für Glasmalerei vor uns. Die noch vorhandenen mittelalterlichen Scheiben wurden weitgehend ergänzt. Die erste Szene zeigt die Ankündigung der Geburt Jesu. Der Engel Gabriel, mit einem eindrucksvollen Flügelpaar ausgestattet und prächtig in Grün und Rot gekleidet, kündigt Maria ihre Schwangerschaft und die Geburt des Gottessohnes an. Der „Englische Gruß“ ist auf dem Spruchband zu lesen: „Ave Maria gratia plena – Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mir dir“. Dieses Schriftband verbindet den Engel und Maria. Die göttliche und die menschliche Welt sind im Wort zusammengeschlossen. Da verwundert es auch nicht, dass sich links im Bild ein Lesepult befindet, auf dem ein geöffnetes Buch zu sehen ist. Das lässt vermuten, dass Maria gerade mit der Lektüre biblischer Schriften befasst und im Gebet vertieft war, als der Engel zu ihr tritt. Sie stellt damit das Idealbild der lesenden und gerade deswegen frommen Frau im Mittelalter dar. Eine lesende (und schreibende) Frau wurde damals offensichtlich noch nicht als gefährlich erachtet. Denn über der ganzen Szene schwebt der Geist Gottes, symbolisiert durch die Taube. Er erfüllt den Raum.

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