Werner Mally

Werke

Im Gespräch mit...

Aus Anlass der Verleihung des Kunstpreises der Stiftung Christliche Kunst an den in München und Oberbayern lebenden Bildhauer Werner Mally (*1955) sprachen Hanna Kasparick und Christhard-Georg Neubert mit dem Preisträger. 

Lieber Werner, wie bist Du eigentlich zur Kunst gekommen, speziell zur Bildhauerei?

Zur Kunst bin ich über Zweifel und Umwege gekommen. Zunächst habe ich ja Graphik-Design studiert. Doch obwohl ich bereits Bücher illustriert hatte, kamen nach dem Studium Zweifel auf, ob ich tatsächlich Werbung machen will. Mit zwei Studienkollegen, denen es ähnlich ging, habe ich mich dann entschlossen, an die von Oskar Kokoschka gegründete Sommerakademie in Salzburg zu gehen, um vier Wochen lang intensiv Aktzeichnen zu betreiben. Neben älteren Damen und Herren haben auch Studenten und Studentinnen der Wiener Akademie Modell gestanden, was den fachlichen Austausch und die künstlerische Wahrnehmung intensivierte. Mit diesem Material haben wir uns an der Akademie der bildenden Künste in München beworben. Das war 1980. Und jeder von uns ist in einer anderen Malerei-Klasse gelandet.

Welche Stationen oder auch Wendepunkte gab es auf Deinem künstlerischen Weg?  


Schon relativ bald habe ich gespürt, dass mich die Reduktion auf eine Dimension nicht erfüllt. Neben Zeichnung und Malerei begann ich in einem selbst gebauten Glashaus als „Atelier“ ganz übliche Alltagsgegenstände wie Tische und Stühle oder Gartenwerkzeuge wie Schaufel, Spaten und Gabel auf ihren existenziellen Kern zu reduzieren. Auf diese Weise entstanden erste filigrane Stäbe, dreibeinige, im wörtlichen Sinn nicht be-sitzbare Stühle, Tische ohne Tafel und zerbrechlich elastische Objekte.

Welchen Einfluss hatten Deine künstlerischen Lehrer an den Akademien in Wien und München?


Als Sir Eduardo Paolozzi aus England an die Akademie in München berufen wurde, habe ich mich umgehend in seiner Klasse für Bildhauerei mit eben diesen Objekten beworben und wurde aufgenommen. Sein vielschichtiger Zugang zur Dreidimensionalität kam für mich einer Erleuchtung gleich. Damit bekam auch die Zeichnung eine erweiterte Dimension, denn nun ging es nicht mehr nur um eine Oberfläche, sondern um Tektonik, Statik, Konstruktion und Balance bzw. um den inneren Zusammenhalt einer Skulptur oder Plastik. Das hat mich fasziniert. Während Paolozzi Mitbegründer der Pop-Art war und monumentale farbige Drucke und Plastiken schuf, blieb ich bei den ephemeren, also eher flüchtigen Objekten, mit denen ich mich ein Jahr später 1984 für die Klasse von Bruno Gironkolli in Wien bewarb. In einem ehemaligen Kloster und im angebauten Atelier von Fritz Wotruba, dem Vorgänger Gironkollis, hatte ich einen der 4 Arbeitsplätze zur Verfügung. Das Atelier war ein sehr eindrücklicher Glaskörper mit einer Kubatur von 10 x 10 x 10 m. Außer uns vier (Ausländern), die im Glaswürfel von Fritz Wotruba arbeiten konnten, hatten die anderen Studenten für ihre Entwürfe eine eigene Zelle zur Verfügung. Hier in Wien konnte ich etwas völlig Neues wagen, was für mich in München vermutlich nicht möglich gewesen wäre: Aus massiven Stämmen oder aus Holzbalken, die in Abbruchhäusern zu finden waren, entstanden mit Kettensäge, Axt und Schnitzmessern menschliche Figuren, die sich in einem sichtlichen Wandlungsprozess befanden. Zwei Meter große Pläne und Zeichnungen zu diesen Skulpturen waren später auf der Internationalen Ausstellung der Zeichnung im Kunstverein Nürnberg zu sehen, und am Ende des einen Wiener Studienjahres bekam ich für diese Zeichnungen 1985 den Fügerpreis der dortigen Akademie.

Du hast viele Aufträge angenommen, sowohl sakrale Räume mit Prinzipalstücken oder künstlerischen Interventionen zu gestalten als auch Arbeiten für andere öffentliche Räume zu schaffen. Was bewegt Dich dabei? 

Projekte im öffentlichen Raum kommen in der Regel durch geladene Wettbewerbe zustande. Das ist ein demokratisches Vorgehen, in dem es darum geht, den Nutzern einer Institution wie Schule, Kindergarten, Kirche, Klinik oder Amt und der sie umgebenden Öffentlichkeit Kunst näher zu bringen, Kunst in Gebrauch zu bringen, Kunst zu nutzen und zu pflegen. Dabei geht es mir in der Regel darum, etwas auch für mich völlig Neues und Überraschendes zu entwickeln, was ausschließlich nur hier stehen kann, damit aus einer (beliebigen) Stelle ein signifikanter Ort mit Aufenthaltsqualität entsteht. Mit dem sollte sich eine Gemeinde identifizieren, und über die Ästhetik hinaus sollte auch ein Erkenntnisgewinn ablesbar und ein „Begreifen“ durch lebendigen Umgang möglich sein. Kinder zum Beispiel sind dazu durch das Besteigen, Klettern und Anfassen leichter in der Lage als Erwachsene: Weltabschmeckung statt Weltanschauung.  

Auf dem Wittenberger Marktplatz steht noch bis Ende August Deine Gedenkskulptur RESTLICHT. Sie erinnert an die Shoa und an das Ende der Nazi-Diktatur und war schon an vielen Orten in Europa, unter anderem in Brünn oder im ehemaligen französischen Internierungslager Gurs, zu sehen. Das bringt uns zu der Frage: Wie politisch ist Kunst? Wie politisch soll und darf sie sein? Und worin besteht für Dich die Aufgabe des Künstlers in der Gesellschaft? 

Kunst hat ein subkutanes Potential und kann – wie kaum ein anderes Medium – vieles gleichzeitig auslösen: verzaubern, überraschen, faszinieren, irritieren, anziehen und abstoßen. Und, wie in Museen oder Ausstellungen immer wieder zu beobachten, kann sie auch wütend machen. Mir kommt es bei meinen Arbeiten auf einen Titel an, der gegenläufige Assoziationen hervorruft. Ich möchte einen Spannungsraum eröffnen: für einzelne Betrachterinnen und Betrachter und natürlich auch für die Öffentlichkeit. So nenne ich meine Kapelle in der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München „BEFEHLSFREIE ZONE“, die vielteilige Skulptur aus Türrahmen „MIGRATIONSVORDERGRUND“, eine Schüttung aus 140 Holzrahmen, die an einen Scheiterhaufen erinnert, heißt „JAN-HUS-HAUS“ und die scheinbar rotierende Stahlskulptur auf einer Brücke über den Main in Volkach „NEPOMUKSTRUDEL“. Die Interpretationshoheit zu den Titeln bleibt allerdings immer beim Betrachter. Auch der Titel „RESTLICHT“ ist so eine gegenläufige Assoziation. Denn für die schattenlose Ausleuchtung unserer bis heute grau, grausam und unbegreiflich nachwirkenden Geschichte im Nationalsozialismus, für ihre schonungslose Aufarbeitung, wäre eigentlich ein permanenter Lichteinfall gleichsam durch Stadionstrahler notwendig. Der Begriff „Restlicht“ dagegen klingt dünn und sparsam – und entspricht damit wohl eher unserer gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation. Da scheint etwas auszugehen, zu verlöschen. Doch eine Typographie, die an Tätowierungen erinnert und bei strahlender Sonne durch die feinen Bohrungen des Baldachins auf der eigenen Haut zu sehen und zu spüren ist, kann sich emotional einbrennen und schmerzhaft sein, kann Erkenntnis ermöglichen und Haltung herausfordern. 

Lieber Werner, wir danken Dir herzlich für dieses Gespräch. 



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